Processing

Das Teilprojekt Processing hat zum Ziel, den Ressourcenverbrauch und die Einschränkungen in Bauteilform und -vielfalt deutlich zu reduzieren. Durch optimierte Formgebung, präzisere Brennergebnisse, geringeren Materialeinsatz und weniger Nachbearbeitung soll eine höhere Fertigungsgenauigkeit erreicht werden. Zusätzliche Effizienzgewinne entstehen durch die konsequente Digitalisierung.

Effiziente und präzise Keramikfertigung

Die Herstellung von Hochleistungskeramik ist traditionell mit hohem Materialeinsatz und begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten verbunden. Das vierte Teilprojekt Processing im Rahmen von SAPHIR setzt genau hier an und entwickelt Verfahren, die ressourcenschonender, präziser und flexibler sind. Durch den gezielten Einsatz digitaler Technologien lassen sich Prozesse heute nicht nur besser überwachen, sondern auch aktiv steuern und optimieren. Neue Methoden der Formgebung ermöglichen komplexere Geometrien, während verbesserte Brennprozesse gleichmäßigere und zuverlässigere Ergebnisse liefern. Ergänzt wird dies durch effizientere Bearbeitungsschritte, die sowohl Präzision als auch Geschwindigkeit erhöhen.

Beteiligte im Verbundprojekt Processing:
- Schneider Engineering Solutions GmbH (Verbundprojekt Koordinator)
- QSIL metals Hermsdorf GmbH
- Tridelta Thermprozess GmbH
- LCP-Laser-Cut-Processing GmbH
- Tridelta Weichferrite GmbH
- Ernst-Abbe-Hochschule Jena
- Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS Hermsdorf
- Alle weiteren Keramikhersteller als assoziierte Partner

Ansprechpartner:innen
Jens Schneider | Schneider Engineering Solutions
Beate Capraro | Fraunhofer IKTS

Vier Arbeitsgruppen mit klaren Zielmärkten:

  1. Additive Fertigung von Keramikbauteilen
  2. Digitalisierung des keramischen Fertigungsprozesses
  3. Emissionsminderung bei thermischen Behandlungsprozessen
  4. Laserfein- und -feinstbearbeitung von Keramikbauteilen

Teilprojekt: Kapillaren für atmosphärische Brennprozesse

Problemstellung:
Die technische Problemstellung für dieses Unterprojekt war die Notwendigkeit einer gesteigerten Produktionsrate von keramischen Kapillaren (z.B. zur O2-Abtrennung), um die Realisierung von technischen Anlagen mit anwendungsrelevanten Durchsätzen generell bzw. in kürzeren Zeiträumen zu ermöglichen.

Lösungsansatz:
Als geeignetster Lösungsansatz wurde die Weiterentwicklung der bisherigen 1-Strang-Extrusion hin zu einer 8-Strang-Extrusion angesehen, um sie die pro Zeit produzierte Kapillarmenge signifikant zu erhöhen. Für die Realisierung mussten alle peripheren Prozesse entsprechend ausgelegt und angepasst werden. Die Anpassungen konnten erfolgreich durchgeführt und ein entsprechender Mehrstrang-Extrusionsprozess etabliert werden.

Potential:
Durch die Entwicklung können bereits bestehende Anwendungsfelder, wie der Bau von Generatoren zur O2-Erzeugung, nun besser bedient werden. Es besteht jedoch auch neues Potential für weitere Anwendungsfelder im Bereich der keramischen Membrantechnik.  

Weiterentwicklung:
Die schnelle und schonende Trocknung großer Stückzahlen an keramischen Erzeugnissen ist eine Herausforderung, die auch weiter adressiert werden muss. Weiterhin ist die Verknüpfung einzelner Produktionsprozesse und die digitale Erfassung und Überwachung sämtlicher Prozessparameter entscheidend für weitere Optimierungen.

Teilprojekt: Digitaler Zwilling

Problemstellung:
Bislang gab es keine, auf die Keramikindustrie zugeschnittene Lösung zur einheitlichen digitalen Erfassung von Daten entlang der Prozesskette, so dass Daten in den verschiedenen Fertigungsschritten in unterschiedlichsten Formaten, von handschriftlichen Aufzeichnungen über Exceltabellen bis hin zu vereinzelten Datenbanken erfasst wurden. Daraus Informationen zu gewinnen war sehr aufwändig oder schlicht nicht möglich. Moderne Verfahren, wie zum Beispiel KI, konnten nicht angewendet werden.

Lösungsansatz:
Durch die digitale Erfassung und Abbildung der gesamten Prozesskette in einer einheitlichen und zentralen Datenbankstruktur sowie der automatischen Verknüpfung von Daten wurden die Voraussetzungen zur umfangreichen Datenauswertung und Informationsgewinnung geschaffen. Damit wurden die Aufwände für Rückverfolgbarkeit / Traceability sowie Datenauswertungen im Rahmen der Prozess- und Produktoptimierung wesentlich reduziert und beispielsweise der Einsatz von KI ermöglicht.

Potenzial:
Die  entwickelten und geprüften Digitalisierungskonzepte und -Lösungen ermöglichen Unternehmen der Keramikindustrie und weiterer Branchen, für die es bislang keine passenden Lösungen gibt, auf ihre Anforderungen und Prozesse zugeschnittene Digitalisierungslösung zu realisieren und damit die Vorteile und umfangreichen Möglichkeiten eines eigenen digitalen Zwillings zu nutzen.

Weiterentwicklung:
Auf Grundlage der nun wachsenden Datenumfänge in der digitalen Abbildung werden statistische Verfahren sowie industrietaugliche und verifizierte KI-Funktionalitäten zur Datenauswertung, Informationsgenerierung und Visualisierung entwickelt und realisiert. Zusätzlich soll die Einbindung externer Prozessschritte und Datenquellen, wie beispielsweise Lieferanten und Dienstleister erweitert werden.

Teilprojekt: Selektives Lasersintern von endkonturnahen keramischen Komponenten mittels ultrakurzgepulster Laserstrahlung

Problemstellung und technologische Ausgangslage:
Der direkte 3D-Druck von Keramik mittels SLS/LPBF ist grundsätzlich möglich, erreicht aber bislang oft nur moderate Dichten, eingeschränkte Maßhaltigkeit und weist Rissbildung auf. Gegenwärtig dominieren Composite-Verfahren mit Entbinderung und Sintern; reine Keramikpulver sind aufgrund von Pulverbettdichte, Partikelgrößenverteilung und Oberflächengüte prozesskritisch. CO₂-Laser werden häufig eingesetzt (gute Absorption), erzeugen jedoch thermische Spannungen, während UKP-Ansätze für Keramik/Glas erst in Ansätzen etabliert sind. Das Vorhaben setzt daher auf dichte, rakelfähige Pulverbetten aus reinen Pulvern, eine systematische Prozessfenster-Ermittlung und UKP-Belichtung, um Rissfreiheit, höhere Dichten und endkonturnahe Qualität zu erreichen.

Lösungsansatz:
Es wurde eine quantitative Kontrastmethode zur Bewertung der Pulverbetthomogenität entwickelt, die belastbare Aussagen zum zu erwartenden Sinterergebnis erlaubt. Bimodale Partikelgrößenverteilungen für Al2O3 und ZrO2 wurden gezielt eingestellt und führten zu rakelfähigen Pulvern, die im SLS-Prozess prozesssicher verarbeitbar sind. Anlagenseitig kamen ein Ultrakurzpulslaser (1030 nm) in Kombination mit einer Wärmekammer sowie ein integriertes Pulverzuführungssystem zum Einsatz; damit sind stabile Prozessbedingungen und reproduzierbare Schichtaufbauten möglich. Prozessseitig wurden hochporöse Al2O3-Körper bis zu 10 mm Höhe hergestellt; mit feinem ZrO2-Pulver (d50 ≈ 15 µm) ließen sich hochdichte Schichten sintern und verschmelzen. Für das Finishing wurde ein UKP-Abtragsprozess (Pulsdauer 220 fs) mit definierten Gitterstrukturen etabliert.

Abgeleitete Einsatzfelder:
Im SLS-Prozess entfällt der Werkzeug- und Formenbau für Grünkörper, was bei kleinen Stückzahlen eine hohe Designfreiheit ermöglicht. Die Fähigkeit, hochporöse Al2O3-Strukturen herzustellen, eröffnet z. B. individualisierte Filterlösungen; dichte ZrO2-Einzelschichten sind eine Basis für keramische Membranen. Die nachgelagerte Strukturierung mit demselben UKP-Laser bietet einen direkten Einstieg in die Oberflächenfunktionalisierung, etwa zur gezielten Einstellung der Rauheit oder hydrophober Eigenschaften.

Weiterentwicklung und empfohlene Vertiefungen:
Priorität hat ein robustes Temperaturmanagement mit lokaler Hochtemperatur-Vorwärmung bis etwa 1000 °C, da 360 °C für Keramik nicht ausreichen. Auf der Strahlseite sollten Strahlformung und eine saubere, verrohrte Strahlführung inklusive Strahlaufweitung sowie die präzise Synchronisation von Laser und Scanner optimiert werden, um asymmetrische Profile und Eckfehler zu vermeiden. Das Pulverengineering und ein geeignetes Auftragssystem sollten weiter verfeinert und gemeinsam mit der Kontrastanalyse der Pulverbetthomogenität in einen geschlossenen Regelkreis überführt werden.

a) ZrO2-Teststruktur mit verschiedenen Oberflächenqualitäten; hochdichte ZrO2-Schicht in Region II; b) ZrO2-Sinterstruktur bestehend aus 2 verschiedenen Basisgeometrien; c) Al2O3-Würfel mit Höhe 10 mm; d) dichtgesinterte ZrO2-Struktur; e) SLS-Setup: 1-Laserscanner, 2-Pulverförderer, 3-beheizte Bauplattform; e) laserstrukturierte ZrO2-Sinterschicht